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Weinbau und Klimawandel

Horror oder Segen? Beides!

Der Klimawandel hat weitreichende Auswirkungen. Soviel müsste mittlerweile jedem klar sein. Wir haben uns jetzt mal angeschaut, wie sich der Klimawandel auf den Weinbau niederschlägt. Alle Winzer mit denen wir gesprochen haben sind sich einig, der Klimawandel hat einen riesigen Einfluss. Doch in welchem Maße wirken sich denn höhere Temperaturen und unregelmäßigere Niederschläge auf den Weinbau und die Qualität der Weine aus?

Riesling-Trauben mit Sonnenbrand. Foto: DLR/Götz

Wie verändern sich die Weine in Deutschland im Zuge der Klimaerwärmung?

Die Daten des Deutschen Klimadienstes (DKD) sind deutlich: Es wird wärmer. In den deutschen Weinanbaugebieten ist die Temperatur im Jahresmittel allein im letzten Jahrzehnt (2009-2018 = 9,42°C) um 0,5°C gestiegen im Vergleich zu den 2 Jahrzehnten zuvor (1989-2008 = 8,9°C). Das sind 6% Steigerung der Temperatur. Im gleichen Zeitraum stiegen die durchschnittlichen Mostgewichte von 80° auf 90,5 °Oechsle ->. Eine Steigerung von 13%.

 

Für alle die nachrechnen wollen, all diese Daten sind frei Verfügbar auf DWD.de und DESTATIS.de

 

Ich bin nicht gewillt Unheils-Szenarien zu entwerfen, aber nehmen wir uns das Beispiel des Extremjahres 2018 einmal vor.

 

Wie zeigte sich der Weinjahrgang 2018?

2018 ist ein Jahrhundertjahrgang! So hörte man es von allen Dächern rufen. Auch in jeglichen Gazetten, die sich im Normalfall wenig bis gar nicht mit dem Thema Weinbau beschäftigen las man dies nicht selten in großen Lettern geschrieben. Aber was ist dran am Jahrgang 2018?

 

Nach meiner Einschätzung, und damit bin ich nicht allein, ist das einzige was am 2018er Jahrgang groß ist die geerntete Menge an Trauben. Noch nie habe ich Weinreben mit so großen und vor allem so vielen Trauben gesehen. Alles kerngesund. Weder in 2008 noch in 2005, mengen-technisch echt großen Jahren war es so deutlich. Für mich zumindest nicht.

 

Im Regelfall wird der Ertrag ganz natürlich reduziert, durch Verrieselung während der Blüte, Krankheiten, Vogelfraß und sich labende Wildtiere. 2018 jedoch gab es fast nichts von alledem. Keine Verrieselung, die ganz natürlich durch starke Winde und Regengüsse ausgelöst wird, bedeutete, dass alle Blüten am Stock bestäubt wurden. Durch das trockene Wetter gab es keinen Druck durch die gängigen Krankheiten, die im Normalfall den Einsatz von Pflanzenschutz bedürfen und den Ertrag reduzieren. Und auch die Vögel und sonstigen Wildtiere hatten einen Überfluss an Nahrung der allerorts voll-hängenden Obstbäume zur freien Verfügung. Somit gabs auch keinen Bedarf sich an den leckeren Träubchen zu vergreifen.

 

Welchen Einfluss hat dies auf die Weine des 2018er Jahrgangs?

Einen Großen, denn die Zuckerwerte waren allerorts rekordverdächtig hoch (Durchschnittl. Mostgewicht 96°Oechsle*). Was sich wiederum in hohen Alkoholgehalten der Weine aus vollreifem Lesegut wiederspiegelt. Die Winzer, die auf Weine mit niedrigen Alkoholwerten und einer knackigen Säure setzen mussten ihre Trauben weitaus früher lesen als in vorherigen Jahren. Zu diesem Zeitpunkt war dann meist die Zuckerreife perfekt, während die physiologische Reife der Trauben noch suboptimal war.

 

DIe physiologische Reife haben Trauben, wenn die Traubenkerne die Farbe von grün zu braun gewechselt haben. Nur diese bräunlichen Kerne liefern ein gutes Maß an reifem Tannin. Sind die Kerne grün, schmecken die damit gemachten Weine eher etwas bitter. Grün eben. Und diese grünen Bitternoten finden wir im Jahrgang 2018 sehr viel häufiger als in anderen Jahren.

 

Was weiterhin auffällt sind -den gelesenen Mengen geschuldet- recht geringe Extraktwerte. Sprich die Weine sind zwar vollmundig, bedingt durch den hohen Alkohol, aber tief innendrin, im Charakter, doch eher dünn. Ausschließlich Winzer die rigoros auf Ertragsreduzierung im Weinberg setzen haben bislang Weine mit ansprechenden Extraktwerten präsentiert, die eine gute Chance auf würdevolles Reifen haben.

 

2018 ist also entgegen der gängigen Hochjubelei alles andere als ein großes Jahr. Außer man steht halt auf sehr kräftige Weine mit hohem Alkoholgehalt und niedrigen Säurewerten. Dann ist 2018 genau das Jahr!

Merlot in der Pfalz? Keine Seltenheit mehr! Hier von der IMI-Winery in Hambach (FOTO: IMI)

Wie sieht die Zukunft im deutschen Weinbau aus?

Auch wenn 2018 ein bislang sehr extremes Jahr war, zeigt es doch ganz gut wo die Reise in den nächsten Jahrzehnten hingehen wird. Schließlich beklagen auch in 2019 fast alle deutschen Winzer Ernteausfälle durch Sonnenbrand, bzw. Überhitzung der Trauben in bestimmten Lagen.

Der Weinstil für den das Weinbauland Deutschland berühmt ist, also leichte, vollfruchtige Weine mit wenig Alkohol, wird in Zukunft in den bisher bestockten Lagen auf längere Sicht wenig Chancen haben. Zu warm sind die Lagen, zu hoch werden die Alkoholwerte. Das heißt es müssen andere Lagen kultiviert werden um diesen Stil weiterführen zu können. Lagen die früher als ungeeignet galten könnten sich als Heilsbringer erweisen.

 

Und was ist mit den Lagen auf denen die Reben seit Jahrhunderten gedeihen?

Diese Lagen werden über kurz oder lang mit anderen Rebsorten bepflanzt werden. Rebsorten, die besser an ein heißes Klima angepasst sind. Grenache und Mourvèdre in Baden? Garnicht so weit weg! Syrah gedeiht bereits jetzt schon ganz wunderbar im Markgräflerland und bringt zum Teil hervorragende Qualitäten hervor. Mencia an den Steilhängen des Mittelrheins? Wenn es in der Ribera Sacra zu heiß wird, könnte der wilde und romantische Teil des Rheins vielleicht ein neues Hoch bekommen! Tempranillo vom Schloss Eberbach im Rheingau? Cabernet Franc vom Würzburger Stein? Warum nicht!?

 

So abwegig wie es dem ein oder anderen jetzt scheinen mag ist das nicht. Reinhard Löwenstein z.B., ein Pionier der hochklassigen, terroir-betonten Weine an der Terrassenmosel spielt schon länger mit dem Gedanken in heißen Lagen in denen jetzt noch Pinot Noir und Rieslingreben gedeihen Edelreißer von Syrah zu pfropfen. Côte Mosel? Pourquoi non!? Auch in der sonnenverwöhnten Pfalz sind Merlot, und Cabernet-Sorten längst keine Seltenheit mehr. Mittlerweile werden letztere sogar reif und schmecken nicht wie grüne Paprika am Stil.

 

Die Veränderungen im Weinbau schreiten langsam voran. Aber die Signale sind deutlich und  früher oder später wird ein Umschwung im deutschen Weinbau stattfinden. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis wir Nero d’Avola und Primitivo vom Kaiserstuhl ins Glas bekommen.

 

Dafür gibt es dann Kabinettchen aus Südschweden und die ‚besten‘ Schaumweine aus England. Fatal ist das nicht. Nur anders. Denn nichts ist so konstant wie der Wandel.

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