Naturwein ist Wein, der mit maximalem Respekt vor dem Weinberg als Teil der Natur angebaut und im Keller mit minimalen Eingriffen, ohne Zusatzstoffe ausgebaut und abgefüllt wird.
Dies ist zumindest meine Definition.
Was ist die offizielle Definition von Naturwein?
Eine Offizielle gibt es nicht. Wein ist ein KULTURPRODUKT! Laut Gesetzgeber ist immer ein Naturprodukt und dementsprechend ‚natürlich‘ und ‚rein‘. Wer dies bis dato genauso sieht, dem empfehle ich
den Artikel 'Konventionelle Weine', denn was da so alles gemacht wird ist den
wenigsten bekannt.
In Deutschland und Österreich ist es bislang verboten Naturwein auf Weinetiketten zu nennen. Auch riskiert man hierzulande Post vom Verbraucherschutz und ggf. Bußgelder, wenn man mit diesem Label wirbt. Wettbewerbsverzerrung. Meint man. Dafür gibts ja die Prädikatsweine. Die dürfen zumindest nicht aufgezuckert werden. Und dieser singuläre Fakt bildet auch den Hintergrund der ersten Welle der Naturweine in unserem Land.
Über Jahrtausende war Wein ein natürliches Produkt. Jedoch wurde auch von Griechen und Römern Kräuter und Gewürze genutzt um den Geschmack zu verändern. Auch Mittel zur Haltbarmachung wie Harze und Schwefel fanden bereits Verwendung. Als aber die Anreicherung von Mosten durch billigen Industriezucker Anfang des 20. Jahrhunderts en Vogue wurde, schworen manche Winzer der landläufigen Praxis der Industrie ab, indem sie sich den „Naturweinen“, den nicht Aufgezuckerten widmeten. Damals gab es jedoch auch weder die technischen- noch chemisch-sythetischen Hilfsmittel, die den Winzern heute zur Verfügung stehen.
Seitdem diese Helferlein jedoch gang und gäbe sind, musste sich auch der Begriff, beziehungsweise die Abgrenzung des Begriffes Naturwein weiterentwickeln. Dafür maßgeblich verantwortlich war eine kleine Gruppe von Winzern im Beaujolais, Fronkroich.
Als in den 1950er Jahren chemische Düngemittel und Pestizide auf den Markt kamen, sprach sich Jules Chauvet, Winzer, Forscher und Chemiker als einer der ersten energisch und öffentlichkeitswirksam gegen deren Verwendung aus. Er propagierte „natürlichen Wein“, indem er in Anbau und Weinerzeugung auf die traditionellen Methoden verwies. Er sammelte eine starke Truppe um sich, die schon bald die Fackel dieser Bewegung mit Ihren Weinen in die Welt hinaus trugen. Ihre Arbeit inspirierte andere, wie Nicolas Joly, die ihre eigenen Studien zum Thema durchführten und ihre Erkenntnisse veröffentlichten. So wurden auch Winzer in Deutschland vom Thema inspiriert ihre Arbeit umzustellen. Die Vernetzung durch Internet, passionierte Händler und sich dem Thema verschreibende Messen sorgte für regen Austausch in der Weinszene und den großen Aufstieg des Naturweins in der Weinwelt.
Heutzutage gibt es eine ganze Riege hochklassiger Winzern in allen Anbaugebieten die sich den Naturweinen verschrieben haben. Ihre Forderungen sind heute so aktuell wie damals bei Chauvet und die Prinzipien sind nahezu gleich geblieben:
ARBEITET NACHHALTIG IM WEINBERG
NEHMT DEM WEIN NICHTS
FÜGT NICHTS HINZU
Trotz fehlender, offizieller Definition gibt es allerhand Anhaltspunkte was Naturwein ist bzw. was es nicht ist. Dabei kann hier mehr oder weniger klar zwischen Anbau, Gärung, Ausbau und Abfüllung getrennt werden. Ich muss jedoch dazu sagen, dass die Grenzen schwimmend interpretiert werden, sprich die Meinungen teils stark auseinander gehen was auf keinen Fall gemacht werden darf und was eher optional ist. So hat sich ein konstantes Spannungsfeld ergeben zwischen den Winzern die sich an alles in der folgenden Aufzählung halten und denen, die sich die für sich relevanten Praktiken 'rauspicken', um den bestmöglichen Wein zu machen.
Wenn auch verändert, erweitert und neu geordnet, stammen diese Kriterien größtenteils aus einem Artikel des Genuss-Magazins auf den ich hiermit dankbar verweisen möchte.
Da es keine offizielle Definition gibt, sind die Grenzen zwischen Weinen die aus Trauben biologisch / bio-dynamisch bewirtschafteter Weinberge stammen und mit wenig Intervention im Keller ausgebaut werden und solchen die als Natur-Wein bezeichnet werden schwimmend. Sehr oft unterscheiden sich diese Weine in ihrer Herstellung nicht, oder nur durch das Alter der genutzen Fässer, leichte Filtration und/oder noch geringere Schwefelgaben.
Fast alle biologisch und biodynamisch arbeitenden Winzer in Deutschland haben unfiltrierte Weine im Programm (meist Rote), schwefeln sehr häufig innerhalb der obengenannten Grenzen und bauen auch Weine aus, die nicht von neuem Holz komplett maskiert werden. Jedoch kommunizieren sie dies nicht so und verstehen sich nicht als Naturwein-Winzer. Würde man auch diese hier aufzählen, wäre die Liste deutlich länger. Eine Übersicht der biodynamisch arbeitenden Weingüter findest du hier im Artikel über Biodynamie im Weinbau.
Überhaupt wird die Unterscheidung selten durch die Winzer selbst getroffen, sondern meist eher von Händlern, der schreibenden Zunft und Enthusiasten. Dies kann sicherlich sinnvoll sein um sich in einem übersättigten Markt bei einer weniger preissensiblen Käuferschaft zu positionieren, aber ist nur selten von dauerhaftem Erfolg gekrönt, wenn die Weine nicht sauber und qualitativ hochwertig sind. Ein Versprechen hält eben nur so lange, bis es gebrochen wird.
Trotzdem gibt es im Folgenden eine Liste an Weingütern geordnet nach Anbaugebieten, die nachweislich in den letzten Jahren als Naturwein-Spezialisten aufgetreten sind UND auch als solche wahrgenommen werden. Hier die (für mich) relevanten Weingüter für Naturals aus Deutschland:
Weingut Rita & Rudolf Trossen, Kinheim-Kindel
Jakob Tennstedt, Traben-Trabach
Lesom Weine by Musevi & Reis, Traben-Trabach
Weingut Bianca & Daniel Schmitt
Marto Wines
Vin de la Gamba
Jason Groebe - Weingut Bergkloster
Moritz Kissinger (*)
Andi Mann
Max Dexheimer
Weingut Hannes Bergdoll / Hannes & Claudiu Wines
Maximilian Baumann (MaxSeinWein)
Sollten in der Liste Weingüter fehlen, so lasst mich dies bitte wissen! mail@
Na klar! Zumindest wenn man ausschließlich die ökologischen Aspekte sieht.
Wer mit maximalem Respekt für die Natur agiert, wird in der Monokultur Weinberg einen großen Lebensraum für Flora und Fauna schaffen. Tut also Gutes für Böden, Umwelt und Menschen. Das ist bei manchen konventionell arbeitenden Winzern genauso, bei vielen dezent anders. Hier gleichen die Weinberge ortsweise Wüsten, auf denen Reihen von Rebsoldaten Spalier stehen. Solange diese gut mit Mineral-Dünger gefüttert und ‚medikamentös‘ gegen Schädlinge eingestellt werden, liefern sie ihren Herren dicke Trauben mit ordentlich Zucker. Dabei beschreibt dies nicht ausschließlich die Produzenten der günstigeren Klassen von Weinen.
Den Konventionellen widmen wir uns an anderer Stelle intesiver. Aber in Auszügen ist klar, dass die hochwertig arbeitenden Winzer ganz genau wissen was sie tun. Jeder Schritt ist erfahren geplant und genau nach Vorgaben ausgeführt. Die Böden und Pflanzen werden geachtet und gefördert ob ihrer Qualitäten. Im Keller wird nur das Nötigste gemacht. Die bei ausgiebiger Analyse der Bedingungen zu erwartenden Ergebnisse werden hier geliefert und garantieren ein risikoarmes Bedienen am qualitativ hochwertigen Sortiment.
Das ist bei den hochklassigen Natural-Winzern nicht anders. Auch wenn die klimatischen Bedingungen des Jahrgangs für gewöhnlich lauter sprechen, beschränken sich Schwankungen, wie bei den Hochkarätern aus der konventionellen Weinproduktion, fast ausschließlich auf die produzierten Mengen. Schlechte Weine kommen heute immer seltener auf den Markt.
Guter Wein weckt Emotionen. Egal wie er gemacht wurde. Nur ist für mich mittlerweile sehr deutlich, dass Weingüter die nachhaltig arbeiten, auch die besseren Qualitäten auf die Flasche bringen, die ein Mehr an Emotionen entlocken.
Dabei halten Naturals für mich immer größere Überraschung bereit. Im Allgemeinen wird man hier nicht ausschließlich mit den immer gleichen Frucht- und Würzaromen konfrontiert, sondern kann ganz neue Welten seines eigenen gustatorischen Horizontes (wieder-)entdecken. Die Zeiten in der Kindheit als Abenteuer im Hinterhof, in Feld, Wald und Wiesen noch normal waren. Als die häusliche Wärme der Stube einem die Düfte der Vergangenheit entgegen schob, um fast unbemerkt ganz tief im Inneren zu versinken. Der erste Kuss; das Parfum der Blumen hinter der Turnhalle, der erste Urlaub auf dem Bauernhof, uvm.
Die Bandbreite ist einfach etwas anders. Bei Naturals findet man die Qualität zwischen Abscheu und Erguss, bei Konventionellen zwischen Langeweile und Hochgenuss. Sprich das Risiko für einen Reinfall ist etwas größer, aber dafür ist die Belohnung auch reichhaltiger, wenn man einen Treffer landet.
Mein Tip: Sucht euch einen fachkundigen Weinhändler, dem Ihr vertrauen lernt! Die Extrakosten für die Weine spart ihr 10 Fach an Totalausfällen!
Da das werben mit dem Begriff Naturwein nicht erlaubt ist, gibt es viele andere Begriffe, die landläufig genutzt werden um das Gleiche auszudrücken. Der Gängigsten Synonyme für Naturweine sind ‚Naturals‘ oder ‚natural wine‘. Auch die französischen Begriffe 'Vin Vivant' oder 'Vin Naturel' werden häufig genannt. In der ersten Welle der neueren Naturweinbewegung Mitte der 2000er wurde meist von 'naked wine' und 'raw wine' gesprochen. Letzteres wurde sogar zum Namen einer eigenen Messe für Naturweine umgemünzt.
Die RAW. Die dort ausstellenden Vertreter haben allerdings in den wenigsten Fällen zum positiven Image der Naturweine beigetragen. Gegner und Verfechter schimpfen auch deshalb nicht selten immernoch abfällig und spöttich über Stinkerlbrühe, wenn sie doch eigentlich über Naturwein sprechen wollen. Dies wird dem ganzen jedoch nicht annähernd gerecht, gibt es doch in dem Bereich eine Vielfalt, wie im echten Leben.
Nein! Orangeweine sind keine Naturweine. Zumindest nicht zwangsläufig.
Als Orangewein werden die Weine bezeichnet, die aus weißen Trauben hergestellt, allerdings (wie Rotweine) auf der Maische vergoren wurden. Während dieser Maischegärung, in meist offenen Gärbehältern, erhalten die Weine auf Grund von oxidativen Prozessen ihre Farbe, und dadurch ihren Namen.
Sprich, hier geht es nicht um Anbau und Ausbau der Weine, auch nicht um das Weglassen von Zusätzen oder hochtechnisierten Hilfsmitteln, sondern ausschließlich um den Weinwerdungsprozess während der Fermentation. Es gibt genügend Orangeweine, die durchaus als Naturals bezeichnet werden können. Allerdings gibt es im Rahmen der Naturwein-Welt so viel mehr als maische-vergorene Weißweine zu entdecken, dass eine Verwechslung dieser Begriffe auszuschließen sein sollte.
Wer es noch nicht ganz gecheckt hat und gerne weiter recherchieren will, hier sind ein paar Links, die euren Wissensdurst vielleicht zu stillen vermögen. Die Ordnung geschah völlig willkürlich nach eigener Google-Suche und kurzem Inhalts-Check.
Karl Schnabel aus der Praxis zu Naturwein
Effillee – reiner Wein- von Sebastian Bordthäuser - Wein. natürlich? rein? von wegen!
Origine – natürliche Weinkultur - hier beschäftigt man sich ausschließlich mit dem Thema Naturwein!
Weinhalle / K&U - Martin Kössler weiß bescheid!
Viniculture Berlin - Holger Schwarz hat Naturwein im Blut - und im Laden!
drinktec.blog - Naturwein: Zurück zur Natur liegt im Trend
Sueddeutsche - Patrick Hemminger räumt mit Thesen zum Naturwein auf
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