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Die größten Wein-Mythen

Wir räumen auf mit gefährlichem Halbwissen und längst antiquierten Vorstellungen.

ch bin kein großer Freund von allzu generellen Aussagen. Schon zu oft durfte ich eingefahrene Meinungen über vermeintliche Gesetzmäßigkeiten der Weinwelt revidieren. Und doch halten sich bestimmte Mythen in den Reihen der Genießer und vermeintlichen Weinkenner wie Federn an heißem Pech. Um dem entgegenzuwirken, widmen wir uns in diesem Artikel mal ein paar dieser Mythen, wie:

 

Wein-Mythos #1: Der neue Wein-Jahrgang ist immer am besten

Mythos #2: Guter Wein muss teuer sein 

Mythos #3: Der beste Wein kommt aus Land/Region XY

Mythos #4: Rotwein trinkt man bei Zimmertemperatur

Mythos #5: Rotwein muss atmen

Mythos #6  Wein wird immer besser mit den Jahren

Mythos #7: Rotweine kann man lagern, Weißweine nicht

Mythos #8: „Weißer Wein zu weißem Fleisch, Roter Wein zu rotem Fleisch“

Mythos #9  Zum Käse braucht es Rotwein

 

Wein-Mythos 1:Der neue Wein-Jahrgang ist immer am besten?

Wenn man sich die (Wein-)Welt genauer betrachtet, wird deutlich, dass der Markt immer nach dem Neuen strebt. Die Heerschar der Weingenießer dürstet es schon während dem Herbst nach dem neuen Wein. Und auch von Produzenten und Vermarkter Sicht kann der neue Wein häufig nicht früh genug auf den Markt kommen. Teils noch vor Weihnachten werden die ersten Weine des neuen Jahrgangs gefüllt. Nach nicht einmal 3 Monaten im Fass. Sobald dies geschehen ist läuft die Vermarktungsmaschinerie an. Es wird an die guten Bedingungen des letzten Sommers erinnert und die exquisite Qualität der Arbeiten im Weinberg gelobt.

 

Ist es denn tatsächlich so, dass der neue Weinjahrgang am besten ist?

 

Es gilt hier zu unterscheiden, von Jahr zu Jahr. In manchen Jahren sind die Bedingungen besser als in anderen. Das ist Fakt. Doch was immer (und ich meine FAST IMMER) der Fall ist: junge Weine sind deutlich fruchtiger und spritziger als gereiftere Wein. Schließlich sind alle Aromaverbindungen noch ganz frisch und dementsprechend volatil. Sprich, diese Weine zeigen sich meist sehr offenherzig, besonders wenn der Jahrgang ein warmer war.

 

Wer also frische Fruchtaromen und ein leichtes Moussieren auf der Zunge sucht, für den ist an dem vermeintlichen Mythos, dass „der neue Jahrgang immer am besten ist“ doch etwas dran.

Wenn man im Wein Komplexität und Balance sucht, dann ist dies mit Nichten der Fall. Denn diese Qualitäten entwickeln sich erst mit der Zeit. Zeit im Fass, Zeit auf der Flasche.

 

Wein-Mythos #2:Guter Wein muss teuer sein

Die Antwort zu der Frage, ob teurer Wein besser ist als Günstiger ist ein eindeutiges „JEIN“.

 

  1. Gut ist prinzipiell das was gut schmeckt und gut tut. 
  2. In unterschiedlichen Situationen, eignen sich unterschiedliche Weine.
  3. Jeder muss sich selbst fragen, welchen Wert er oder sie für eine nachhaltige Betriebs-Philosophie und Eigenständigkeit der Weine ansetzt.
  4. Konventionelle Weine können mit anderem Kostenaufwand und Risiko hergestellt werden als handwerklich gemachte Weine (wie bspw. biodynamisch Produzierte oder gar Naturweine).
  5. Es ist meist ein Unterschied, zwischen dem was der Winzer braucht und was der Handel verlangt.

 

Bis zu einem gewissen Preis mag dieser Mythos stimmen, danach sind es allerdings nur noch die Marktgesetze, die ziehen. So kann man vor allem zwischen den folgenden Preissegmenten eine deutliche Steigerung der objektiven Qualität feststellen. Die Segmentierung erfolgte efahrungsgestützt, aber recht willkürlich. Die Grenzen sind schwimmend. Und im Zweifel geht es um die Momente in denen man den Wein mit anderen Menschen genießt.

 

2EUR -> 5 EUR - Weine die für 2 Euro/Flasche auf den Markt kommen liefern Alkohol und etwas Fruchtaroma. Mehr nicht. Wem das reicht, gut. Aber sei Dir gewiss: Um für diesen Preis Wein ins Regal bekommen zu können, muss jede Stellschraube auf Kosteneffizienz gedreht werden. Qualität steht hinten an.

 

5 EUR -> 8 EUR – Weine in diesem Preisbereich bilden den Kern des Qualitätsweinmarktes in Deutschland. Hier findet sich das Gros der ehrlichen Gutsweine. Weine die also typisch für eine Rebsorte, das Anbaugebiet und die jeweiligen Winzer sind. Sowohl von kleinen, familiengeführten Weingütern als auch von großen Namen der Weinbranche finden sich hier teils schon recht spannende Weine. Aber auch viele Weine, die qualitativ eigentlich ins beste Drittel des vorgenannten Preisbereiches gehören, durch ein ansprechendes Design jedoch eine höhere Qualität suggerieren.

 

Merke: laut aktuellen Berechnungen muss ein einfacher Wein von einem familiengeführten Weingut in Deutschland im Schnitt mindestens 8,00 EUR kosten, damit Produktion und Vertrieb einigermaßen nachhaltig stattfinden können. Da sind die Händlermargen inkludiert ;)

 

9 EUR -> 15 EUR - In dieser Gruppe findet man hervorragende Weine von unbekannten Weingütern. Aus Europa und der Welt. Daneben findet man den allergrößten Teil der besten Gutsweine Europas und so manch grandiose Orts-Weine. Sprich, hier kann man schon von sehr typischen Weinen und einem hohen Niveau der Weinqualität sprechen. Dies ist (für mich) der Preisbereich, in dem sich die spannendsten Entdeckungen machen lassen.

 

16 EUR -> 30 EUR - Hier finden sich schon echte Spitzengewächse, die sehr typisch und eigenständig sind. Vorallem von Winzern und Weingütern, die in unbekannteren Regionen arbeiten und deren Ambitionen sich auf ihr Weingut und die Reben beschränken. Selbst von geldgetränkten Böden der populärsten Anbaugebiete bekommt man in diesem Segment schon gute Qualitäten. 

 

30 EUR - 50 EUR - In diesem Preisbereich sind die meisten der hochbegehrten, schon als GROSS angesehenen Gewächse von den besten Weingütern Europas "aus der 2. Reihe". Hier findet man schon echte Knaller, die den Vergleich zu viel teureren Weinen nicht scheuen müssen, oder sie sogar in die Schranken verweisen können.

 

60 EUR - 90 EUR - Diese Preise sind durchaus Usus für gesuchte und hoch limitierte Weine aus unbekannten Regionen, aber auch der "2. Garde" der Oberklasse aus den populärsten Regionen.

 

90 EUR + hier finden sich hochspannende, teils anbetungswürdige* Weine. Aber auch viele, dessen Preis man sich nur noch mit Marktprinzipien und guter Vermarktung erklären kann.

 

* Ist natürlich Quatsch. Wein ist zum Trinken da und um den Moment intensiver zu spüren.

 

Wer sich für das Thema Preis interessiert, wissen will, was die Produktion eines Weines so kostet, dem sei DIESER ARTIKEL über Weinpreis empfohlen.

 

Wein-Mythos #3:Richtig guter Wein kommt nur aus Land/Region XY

Es stimmt, dass es Länder und Regionen in der Welt gibt, die deutlich besser für Weinbau geeignet sind als andere. Auch deshalb gibt es ausgewiesene Anbaugebiete für Qualitätsweine.

 

Jedoch kann man heutzutage nicht mehr sagen, dass nur einzelne Regionen grandiose Weine hervorbringen. Als Beispiel kann man den Vergleich der geschichtlichen Dauerkontrahenten Frankreich und England heranziehen. In Frankreich hat der Weinbau eine jahrhundertealte Tradition. Die besten Weine aus Frankreich werden für Tausende pro Pulle gehandelt. In England steckt der Weinbau noch in den Kinderschuhen und die Preise sind (im Vergleich) recht niedrig. Dabei landete bei einer Blindprobe der besten Schaumweine der Welt erst kürzlich wieder ein englischer Schaumwein VOR seinen Konkurrenten aus der Champagne. Unglaublich aber war.

 

Ähnliche Markt-Erschütterndes wurde auch schon im Jahr 1976ern festgestellt,  als der Weinhändler Steven Spurrier im „Judgement of Paris“ die besten Bordeaux-Blends aus den USA gegen die Vorbilder aus dem Bordelais in einer Blindverkostung mit den renommiertesten Weinkritikern antreten lies. Das Resultat: Weine aus den USA landeten VOR ihren klassischen Vorbildern aus den besten Bordeaux-Chateaux.

 

Die Beispiele aus der Weinwelt, bei denen Klassiker von Newcomern auf die Ränge verwiesen wurden sind so vielfältig, dass man mit Fug und recht sagen kann, dieser Mythos ist wiederlegt. Evidenzbasiert.

Jedoch bleibt auch Fakt, dass in einigen Regionen das Niveau konstanter auf höherem Niveau ist als in anderen.

 

Wer sich für Weinqualität interessiert, dem sei DIESER ARTKEL über Weinqualität empfohlen.

 

Mythos #4: Rotwein trinkt man bei Zimmertemperatur

Das ein Rotwein tendenziell wärmer getrunken wird als ein Weißwein ist unbestritten. Bei höheren Temperaturen können sich subtilere Aromastoffe schlicht besser verflüchtigen, von denen im Rotwein meist mehr gelöst sind. Desweitern haben Rotweine Gerbstoffe (Tannine) die bei zu niedrigen Temperaturen sperrig werden und den Trinkfluss hindern.

 

Als diese Regel [„Rotwein bei Zimmertemperatur“] aufgestellt wurde, hatte die Stube im Schnitt 16-18 °C. Heutzutage hingegen sprechen wir bei Zimmertemperatur eher von 21-23°C.

 

Bei diesen Temperaturen wirken viele Rotweine plump, da sich der Alkohol verflüchtigt und subtilere Aromen überdeckt.

 

Manche Rotweine, vor allem die leichten, fruchtbetonten Vertreter spielen Ihre Qualitäten am besten sogar bei 12-14°C aus.

 

Als Faustregel kann man sagen: Umso weniger Gerbstoffe ein Wein hat und umso mehr Säure, desto kühler kann er getrunken werden. Umso gerbstoffbetonter, voluminöser und komplexer ein Wein ist, umso eher sollte er bei 16-18°C getrunken werden. Gleiches gilt übrigens auch für den Kontakt mit Sauerstoff.

 

Als Tip: Ich lagere (besonders im Sommer) auch meine Rotweine im Kühlschrank. Einfach 30-40 Minuten vor dem Öffnen aus der Kühlung nehmen und nach kurzer Zeit hat der Wein die ideale Trinktemperatur. Im Zweifel lieber etwas zu kühl servieren, warm wird der Wein im Glas von ganz alleine.

 

Eine weitere Übersicht findet ihr in DIESEM ARTIKEL über Trinktemperatur.

 

Mythos # 5: Rotwein muss atmen

Ähnlich wie bei der richtigen Trinktemperatur hält sich der Mythos, dass Rotwein länger in Kontakt mit der Luft sein soll bevor man ihn genießt. Aber muss Rotwein wirklich atmen?

 

JEIN! Umso jünger, umso länger im Fass ausgebaut und umso mehr Gerbstoff der Wein hat, desto eher sollte man die Flasche karaffieren und ihm Luft gönnen. Nur dann spielen viele Weine ihr volles Potential aus und sind ihren Preis wert. Ist ein Rotwein wenig extraktreich (dünn) oder schon sehr lange gereift, umso eher würde ich davon vorerst absehen. Zu hoch ist das Risiko, dass der Wein einen frühzeitigen Aromatod stirbt.

 

Aber nicht nur Rotweine entwickeln sich positiv, wenn er mit Sauerstoff in Kontakt kommt.

Prinzipiell gilt, je jünger ein Wein und je länger er beim Ausbau mit Hefen in Kontakt war, umso eher sollte man den Wein mit Sauerstoff in Kontakt bringen bevor man ihn trinkt. Ich persönliche liebe es die Entwicklung eines Weines an der Luft zu verfolgen. Auch über mehrere Tage im Kühlschrank.

 

Mythos #6 Wein muss reifen!

Es steht außer Frage, dass die besten Weine der Welt ihr volles Potential erst nach einigen Jahren Flaschenreife ausspielen. Doch, sind gereifte Weine wirklich die Besten? Und woher weiß ich ob ein Wein besser wird, wenn man ihn liegen lässt?

 

In erster Linie ist es mal eine Frage was man mag. Mag man fruchtbetonte Weine, dann sollte man Weine jung trinken. Mag man komplexe Weine, dann lohnt es sich einige Flaschen in der hinterletzten, dunklen (und temperaturkonstanten) Ecke zu vergraben. Die Einflussfaktoren auf die Reifefähigkeit eines Weines sind vielfältig. Wer sich en Detail dafür interessiert, der sollte sich DIESEN ARTIKEL über die Entwicklung von Weinen nicht entgehen lassen.

 

Wer wissen will, bei welchen Bedingungen Wein am besten reift, dem sei DIESER ARTIKEL hier über die perfekten Lagerbedingungen empfohlen.

 

Mythos #7: Reifen Rotweine besser als Weißweine?

Auch auf diese Frage antworte ich mit einem eindeutigen „JEIN“. Wichtig für eine gute Reifung von Weinen sind neben guter Lagerbedingungen, eine Vielzahl von Faktoren die auf die Produktion des Weines zurückzuführen sind.

 

Prinzipiell kann man aber sagen, dass Rotwein über mehr Reduktone verfügt und dementsprechend weniger schnell Wer mehr darüber erfahren will, sollte DIESEN ARTIKEL über den Lebenszyklus von Wein lesen.

 

Mythos #8: „Weißer Wein zu weißem Fleisch, Roter Wein zu rotem Fleisch“

Dieser Mythos zur Kombination von Wein und Speisen ist so alt wie die Riege der Weinschreiberlinge. Ist aber relativierbarer Quatsch. Viel wichtiger als die Farbe des Weines ist das Volumen, bzw. die Intensität des Geschmacks. Wein und Speise sollten in etwa gleich kräftig sein, der Wein tendenziell eher etwas weniger intensiv, um dem Gericht nicht die Schau zu stehlen.

 

Der Ursprung dieser Regel liegt also darin, dass Weißweine prinzipiell delikater, sprich weniger intensiv sind und sich dementsprechend besser mit Gerichten kombinieren lassen, die ebenfalls delikate Aromen aufweisen, wie es bei hellem Fleisch, oder Fisch häufig der Fall ist.

 

Im Umkehrschluss eignen sich kräftige Rotweine eher in der Kombination mit kräftigen Gerichten. Dabei muss man deutlich sagen, Steak ist kein kräftiges Gericht, sondern eher ein Delikates! Gebratener Seeteufel hingegen ergibt sehr kräftige Gerichte. Dementsprechend sollte man nicht dogmatisch an das Thema herangehen, sondern im Einzelfall entscheiden was gerade am besten passt.

 

Wer es genauer wissen will, dem kann ich die Artikel wärmstens empfehlen: 

Wein und Speisen,

Wein- & Foodpairing und

die 10 wichtigsten Regeln zur Kombination von Weinen & Speisen.

 

Mythos #9 Zum Käse braucht es Rotwein

Für mich, völliger Humbug! Auch hier ist im Einzelfall zu entscheiden, da es die ultimative Allzweckwaffe nicht gibt. Es kommt auf den Käse drauf an. Wenn man jedoch eine ganze Auswahl an verschiedenen Käsesorten hat und nur einen Wein dazu trinken will, dann würde ich immer einen Weißwein mit prägnanter Säure und delikater Restsüße empfehlen, da dieser Weintypus mit den meisten Käsen gut harmoniert. Wenn dieser Wein auch noch etwas Reife hat, umso besser, da die Säure besser eingebunden und das Aromenspiel würziger ist.

 

Wer es genau wissen will, der sollte DIESEN ARKTIKEL über Wein & Käse lesen.

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